Derzeit übersteigt die Nachfrage nach Softwareentwicklern das Angebot des Arbeitsmarkts deutlich. Unternehmen, deren HR-Manager und Recruiter aus den verschiedensten Branchen bemühen sich mit allen Mitteln neue Softwareentwickler anzuwerben. Immerhin sind Softwareentwickler entscheidend um Digitalisierung und Automatisierung voranzutreiben.
Im Vergleich zur Industrialisierung entwickeln sich die IT und Digitalisierung viel schneller und haben in kürzerer Zeit mehr neue Arbeitsplätze geschaffen. Bleiben Softwareentwickler die Treiber der Digitalisierung oder werden sie durch Automatismen künstlicher Intelligenz und Bots ersetzt? Steigt der Bedarf weiterhin oder wird er durch zunehmenden IT-Absolventen, Quereinsteigern und mittels Auslagerung in andere Länder überholt?
Welche Gefahren birgt die Zukunft für Softwareentwickler?
Die Softwareentwicklung befindet sich noch immer in einen Aufschwung, so dass praktisch niemand die Zukunft dieses Berufes anzweifelt. Doch auch die IT ist eine Branche im Wandel, in der die Gehälter durch Engpässe in die Höhe getrieben werden. Ist oder bleibt die Wirtschaftlichkeit bei dieser Entwicklung bestehen oder sehen sich Unternehmen auch nach anderen kostengünstigeren Lösungen um? Wir hinterfragen paar Entwicklungen und Thesen, welche die blühenden Aussichten der Softwareentwickler in Frage stellen.
1. Programmiersprachen werden einfacher
Die ersten Computeranwendungen wurden mittels kleinteiliger Befehle in Assembler programmiert, was für die gegenwärtigen umfangreichen Softwareanwendungen ineffizient und ungeeignet wäre.
Basierend auf dem Grundgedanken, die reale Welt besser in einer Programmiersprache zu abstrahieren und besser darzustellen entstand die objektorientierte Programmierung, welche sich heute durchgesetzt hat. Auch hier wurden stetige Fortschritte zur vereinfachten Softwareentwicklung gemacht.
So werden auch Mobile Apps einfacher programmiert als noch vor 10 Jahren. Apple führte 2014 die deutlich einfachere Sprache Swift ein und Google folgte mit Kotlin für die Entwicklung von Android-Apps.
Diese Entwicklungen senken die Einstiegshürden in die Softwareentwicklung und der Beruf Softwareentwickler wird in Zukunft für mehr Menschen zugänglicher.
2. Standardsoftware lösen individuelle Programmierungen ab
Verschiedene Bedürfnisse, Technologien, Trends und Versprechungen machen es Unternehmen schwer den passenden Softwareanbieter aufzufinden. Die Preise und Kosten für Standardsoftware wie auch individuelle Software variieren von Anbieter zu Anbieter sehr. Diese Intransparenz im IT-Markt führt dazu, dass heute noch viele kundenspezifische Lösungen oder neue Softwareprodukte programmiert werden, obwohl entsprechende Lösungen längst bestehen.
Am IT-Markt werden sich vermehrt branchenspezifische Standardlösungen durchsetzen und etablieren. Standardsoftware kann mittlerweile auch individuelle Unternehmensprozesse abbilden. Dies erfordert i.d.R. keine Programmierkenntnisse mehr, sondern lediglich die Parametrisierung der Standardsoftware nach den Bedürfnissen des Kunden. Sollten sich die Standardlösungen noch flächendeckender durchsetzen, könnten sich die Jobangebote und die Auftragslage für viele Softwareentwickler deutlich reduzieren.
3. Zugänglichere Bibliotheken, Frameworks und Opensource Projekte
Entwicklungsumgebungen und Ressourcen, welche den Softwareentwicklern zur Verfügung stehen verbessern sich kontinuierlich. Die Entwickler-Szene ist gut vernetzt und stellt der Community verschiedene fertige Komponenten zur Wiederverwendung in anderen Projekten bereit.
Das können einzelne Bibliotheken für gewisse Funktionen oder ganze Frameworks sein, mit welcher die Struktur und Architektur des künftigen Softwareprodukts in wenigen Minuten aufgesetzt ist.
Auch Open Source liegt im Trend. Die quelloffene Software baut auf dem Wissen und der Initiative der breiten Masse auf. Davon profitieren auch die Softwareentwickler, denn ihnen steht der gesamte Sourcecode von Softwareanwendungen zur Verfügung, welche an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden können.
Die verbesserten Entwicklungsressourcen ermöglichen in kürzerer Zeit bessere und zugleich umfangreichere Softwareanwendungen zu programmieren. Überholt diese Effizienzsteigerung die zunehmenden Bedürfnisse der Digitalisierung?
4. Mehr Quereinsteiger in der IT
Der boomende IT-Markt und die steigenden Gehälter in der Branche verlocken immer mehr Menschen sich auf die IT umzuqualifizieren.
Dies ist besonders in wirtschaftlich schwächeren Ländern zu beobachten. Softwareentwickler können remote für etablierte westeuropäische Unternehmen arbeiten weshalb die Umqualifizierung zum Softwareentwickler am häufigsten ausgesucht wird. Wie bereits erwähnt sind die Einstieghürden in die Softwareentwicklung tiefer als zuvor, was diesen Trend noch mehr begünstigt.
Kann der vermehrte Quereinstieg in die IT die Ressourcenengpässe beseitigen oder gar zu einer Übersättigung an Softwareentwicklern führen?
5. Cross-Plattform Entwicklung
Cross-Plattform oder auch hybride Technologien genannt sind mittlerweile so ausgereift, dass Softwareentwickler vermehrt darauf greifen. React Native, Xamarin und Flutter verdrängen die native App-Entwicklung immer mehr. Diese hybriden Entwicklungsumgebungen breiten sich auch auf Web- und Desktopanwendungen aus.
Was früher für jede Plattform separat programmiert werden musste, kann heute aus einem Quellcode für mehrere Plattformen exportiert werden. Weniger Programmierzeilen verringern der Bedarf an Softwareentwicklern. Auf Jobportalen sind Stellenausschreibungen mit Cross-Plattform Kenntnissen vermehrt aufzufinden. Werden Cross-Plattform Technologien den IT-Arbeitsmarkt beeinflussen und den Bedarf an Entwicklern langfristig reduzieren?
6. Auslagerung der Programmierung in günstigere Länder
Die Auslagerung der Programmierung in Länder mit niedrigerem Lohnniveau wird schon lange praktiziert und auch als Software-Outsourcing oder Nearshoring bezeichnet. Indem das Homeoffice während der Corona-Pandemie zum Arbeitsalltag wurde und auch vermehrt Teil von diesem bleiben wird, haben auch weitere Unternehmen das Outsourcing als kosteneffizientere Variante verglichen mit der internen Anstellung erkannt.
Osteuropäische Länder sehen in der IT einen Wirtschaftszweig, in dem sie deutlich einfacher in einem globalen Markt agieren können, als es bei physischen Gütern und anderen Dienstleistungen möglich wäre. Diese Länder unterstützen Tech- und Softwareunternehmen mit Förderprogrammen was einen grossen Nachwuchs an Softwareentwicklern mit sich zieht.
Kann das Outsourcing zu einem Überangebot an Softwareentwicklern führen? Die Möglichkeit, Programmierer aus günstigeren Ländern einzusetzen drückt bereits heute das Lohnniveau der Softwareentwickler.
7. Zunehmende IT-Lehrgänge
Tech-Firmen haben sich zu Beginn vor allem in den USA etabliert, der IT-Boom folgte in Europa verlangsamt. Dementsprechend sind in den europäischen Ausbildungsstätten Informatik-Fächer und Studiengänge mit der Ausrichtung auf die Softwareentwicklung erst relativ spät eingeführt worden.
Die digitale Transformation ist für Unternehmen und ganze Branchen essenziell und wird als zentraler Wirtschaftstreiber angesehen. Das Bildungswesen musste dementsprechend anpasst werden. Inzwischen sind viele neue IT-Lehrgänge und Kurse entstanden und jährlich werden deutlich mehr Softwareentwickler ausgebildet.
8. Neue Digital Native Generation
Dieser Punkt kann direkt von den zunehmenden IT-Lehrgängen abgeleitet werden. Mit dem Nachwuchs an Softwareentwicklern kommt eine neue Generation an Arbeitskraft auf den Markt. Erfahrene Softwareentwickler beschäftigen sich voraussichtlich weiterhin bis ins Rentenalter in der IT.
Ältere Generationen hatten nicht die gleichen Voraussetzungen: Weniger IT-Lehrgänge und teure IT-Ausrüstung haben es nur einer kleinen Bevölkerungsgruppe ermöglicht, sich mit der IT und Softwareentwicklung vertraut zu machen.
Mit den vielen Ressourcen, welche heute im Netz zur Verfügung stehen, kommt es nicht selten vor, dass sich junge Digitale Natives das Programmieren schon im Schulalter selbst aneignen. So wie Nachfrage an Softwareentwicklern (noch) steigt, nimmt auch der Anteil an Softwareentwicklern in der demografischen Kurve zu.
9. No-Code-Plattform
Heute können Webauftritte und einfachere Webanwendungen mit baukastenähnlichen Online-Editoren praktisch von jedermann ohne Programmierkenntnisse umgesetzt werden.
No-Code Plattformen sind darauf ausgelegt, kosteneffizient die unzureichenden Programmierressourcen zu umgehen und den Entwicklungszyklus zu beschleunigen. Dadurch können neue digitale Prozesse von Mitarbeitern die näher an den Arbeitsabläufen und Geschäftsstrategien mitwirken implementiert werden.
Berechtigte Kritik an diesem Entwicklungsansatz sind Sicherheitsaspekte, Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit. Noch immer sind No-Code Plattformen in der Unternehmenswelt eher eine Modeerscheinung als geeignete Alternativen für individuelle komplexe Softwareanwendungen, doch könnte auch dies sich in Zukunft ändern.
10. Künstliche Intelligenz ersetzt Softwareentwickler
Der Softwareentwickler übt nicht nur kreative, überlegte und lehrreiche Tätigkeiten aus, sein Alltag ist häufig von Routineaufgaben geprägt.
Mit der Robotisierung können diese wiederkehrenden Arbeitsschritte automatisiert werden und mit voranschreitender Künstlicher Intelligenz (KI) lernt ein Computerprogramm immer mehr Aufgaben übernehmen.
Bereits heute wird automatisiertes Testen in der Softwareentwicklung eingesetzt und renommierte Wissenschaftler gehen davon aus, dass spätestens im Jahr 2040 künstliche Intelligenz Softwareanwendungen schreiben wird und das schneller als eingearbeitete Softwareteams (Quelle: «Will humans write code»).
Weil der wahre Wert eines Softwareentwicklers nicht darin liegt, wie er eine Anwendung programmieren soll, sondern was er programmieren soll, wird die künstliche Intelligenz Softwareingenieure nie vollkommen ersetzen können. Nichts desto trotz ist die Sorge der Programmierer um ihre Zukunft nicht unbegründet.
Lohnt es sich noch Softwareentwickler zu werden?
Die Mehrheit sieht den Beruf Softwareentwickler als zukunftssichere und wichtige Beschäftigung. Diese Meinung teilen wir auch und die Antwort ist ja, Softwareentwickler werden weiterhin sehr gefragt sein.
In diesem Beitrag haben wir uns nur auf die Gefahren fokussiert, Opportunitäten gibt es mindestens genauso viele. Der digitale Wandel ist ein kontinuierlicher Prozess und noch viele Unternehmen haben grossen Nachholbedarf. Laufend werden neue Technologien und Trends wie Machine Learning, Big Data, IoT für neue Innovationen und Unternehmensperspektiven sorgen. Die vergangenen Jahre verliefen hochdynamisch und der Unterhalt und Modernisierung bestehender IT-Systeme darf dabei nicht vergessen gehen.
Wahrscheinlich werden in absehbarer Zukunft einfachere und monotone Programmieraufgaben von künstlicher Intelligenz ausgeführt werden. Das ist kein Nachteil, den so können sich Softwareentwickler auf neuartige und wertschöpferische Aufgaben fokussieren. Besondere und komplexe Anforderungen werden auch in Zukunft ausgebildete Softwareingenieure implementieren müssen.
Dafür werden sich Softwareentwickler sowie alle anderen Berufe stets weiterentwickeln müssen, um nicht von Computerprogrammen mit künstlicher Intelligenz ersetzt zu werden.